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Hierin liegt auch eine Gefahr dieses Modells, nämlich zu versuchen
alle Komponenten mit rationellen, linearen Vorstellungen erfassen und verstehen
zu wollen. Weniger linear verläuft anscheinend die "Entwicklung",
als vielmehr kreisförmig, (wenn auch nicht in einem mythisch zu verstehendem
Sinne): Der Ursprung ist in der Gegenwart enthalten und entfernt sich nicht
von ihr.
Wie noch dargelegt wird, ist es auch problematisch, Gott mittels der
Vernunft, dem Denken beweisen zu wollen. Gottesbeweise basieren auf axiomatischen
Annahmen und sind hiermit ebenso widerlegbar. Solche "Beweise" können
allenfalls Hinweise auf Transzendentes sein, aber niemals Beweise dafür.
Daß dabei, im Zuge dieser Entwicklung in Teilen der New-Age Bewegung
und der Esoterik ein Zurück in magische und mythische Zustände
de facto als Ziel angestrebt und mit echter transpersonaler Mutation verwechselt
wird soll nicht bestritten, mag aber vielleicht als begleitende Geburtswehe
in einer Zeit der Umwälzung, des Übergangs einer Epoche zu einer
anderen gesehen werden (vgl. Wilber, K. 1990, S. 370-375).
Enomya-Lassalle nimmt an, daß die Menschen der Zukunft ab einem
gewissen Alter "von selbst" in diesen Bereich vorstoßen werden, und
sich nicht mehr, wie dies heute noch der Fall ist, bestimmter "Methoden"
bedienen (müssen) um zu diesem Bewußsein zu "gelangen" (vgl.
Enomya-Lassalle, H. 1987, S. 38).
vgl. auch I. Kant, der in seiner "Kritik der reinen Vernunft" darlegte,
daß Gott, transzendente Wahrheit(en) nie mit der Vernunft,
dem Denken erfaßt werden könne, aber trotzdem ihre Existenz
nicht ausschloß.
Was natürlich nicht bedeutet, daß die damit verbundenen ethischen
Werte zu verwerfen und abzulehnen wären. Sie haben nur auf diesen
Ebenen keinen Platz: Ebensowenig wie im empirischen Bereich beispielsweise
ein Meßergebnis, eine Zahl, nichts über deren Qualität,
über ihre Bedeutung aussagt.
Vereinfacht dargestellt läßt sich sagen, daß die Theosophische
Gesellschaft auf dem Glauben an eine universelle Brüderschaft der
Menschen und der Existenz einer okkulten Hierarchie von Wesenheiten basiert.
Diese Vereinigung wurde 1875 von der deutschstämmigen Russin Helena
Petrowna Blavatsky und dem amerikanischen Oberst Henry Steel Olcott gegründet.
Das Erforschen der esoterischen Seite einer jeden Religion und das Erkennen
der verbindenden Elemente der verschiedenen Weisheitslehren aller Zeiten,
war und ist ein Hauptanliegen ihrer Mitglieder. H.P. Blavatsky schrieb
vor ihrem Tod 1891, der wahre Zweck der theosophischen Gesellschaft sei
die Vorbereitung auf die Ankunft eines Weltlehrers. Diese Rolle wurde Jiddu
Krishnamurti zugedacht.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen und auch kaum bekannt,
daß die Proklamation Krishnamurti's als zukünftigen Weltlehrer
und die Gründung des Ordens den deutschen Präsidenten der Theosophischen
Gesellschaft Rudolf Steiner, der diese Entwicklung nicht mittragen wollte,
zum Austritt aus der internationalen Theosophischen Gesellschaft bewegte.
Mit ihm verließen ca. 90% der deutschen Mitglieder die Gesellschaft.
Rudolf Steiner gründete seine eigene Organisation: die Anthroposophische
Gesellschaft.
Pupul Jayakar schreibt hierzu: "... handelt es sich hier um eine
klassische Beschreibung des Aufsteigens der Kundalini" (Jayakar, P.
1988, S. 69). Umfassender über diese Vorgänge zu berichten, würde
den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Detailierteres findet sich
in den Biographien von Pupul Jayakar, "Krishnamurti, Leben und Lehre" und
Mary Lutyens, "Krishnamurti, Jahre des Erwachens".
Obwohl K. sich fast nie psychologischer oder philosophischer Erkenntnisse
und Ausdrucksweisen bedient, entspricht m.E. die Verwendung seines Ich-Begriffs
weitgehend denjenigen der tiefenpsychologischen Richtungen; insbesondere
derjenigen von S. Freud als auch der von C.G. Jung. Zur kurzen Erläuterung:
Für Freud, wie noch für die meisten heutigen Psychologen sind
Konflikte nur innerhalb dieses, oder eines verwandten Paradigmas zu suchen.
"Transpersonale Bereiche" (wie sie bei Jung schon anklingen) werden als
Störungen, als pathologisch identifiziert.
Es seien hier als Beispiele die Modelle vom Es, Ich und Über-Ich
genannt, das kollektive Unbewußte oder auch die Archetypen.
Unter chronologischer Zeit versteht Krishnamurti den physikalischen
Ablauf der Zeit: die "Uhrzeit"; eine sichtbare Veränderung in der
materiellen Welt.
Das Krishnamurti Center - ein Studienzentrum für Erwachsene,
welche an Krishnamurti und seiner Lehre interessiert sind - liegt in unmittelbarer
Nähe zum Schulgebäude.
Hier sei als Beispiel die fraglos bestehende - wenn auch informelle
- "Kleiderordnung" und das Aussehen der Schüler (und der Mitarbeiter)
genannt. Eine Schülerin äußerte sich in einem Brief zu
diesem Thema sehr bezeichnend: "Er (der Direktor der Schule, Anm.
d. Verf.) gab als Begründung, daß längere Haare oder
überhaupt unkonventionelles Aussehen ... Besucher, die Brockwood finanziell
unterstützen, schocken könnte. (...) Er hat selber gesagt, die
Haare seien nur ein Zeichen davon, daß im Kopf dahinter was nicht
stimmt (frag mich nur nicht was!). Warum verändert er eigentlich die
Haare und nicht den Kopf? Sonst zeigt die Schule ja ein unehrliches Bild,
was gar nicht stimmt, lauter kurzgeschorene Köpfe, die innen drin
langhaarig sind. Das macht wohl eine komische Atmosphäre, wegen der
der eine oder andere erst recht kein Geld gibt" (Briefe aus Brockwood,
1988, S.10).
Als Beispiel seien hier die Beziehungen zwischen Schülerinnnen
und Schülern genannt: Der Umgang mit Sexualität scheint ein Thema
zu sein, das die Schule beständig beschäftigt. Einerseits ist
es ganz natürlich und verständlich, wenn die Schülerinnen
und Schüler, zumal in diesem Alter, erste sexuelle Beziehungserfahrungen
machen wollen und müssen, aber mangels Gelegenheit kaum anderswo als
im Internat Freundinnen und Freunde finden. Auf der anderen Seite ist es
ebenso einsichtig, daß die Schule sexuelle Beziehungen (von
fast immer Minderjährigen) nur schwerlich dulden kann. Das Image der
Schule, die Belange der Eltern, die Möglichkeit ungewollter Schwangerschaften,
gilt es zu berücksichtigen.
vgl. die ausführlichen Beschreibungen der "spirituellen" Entwicklungen
und Seiten von Jiddu Krishnamurti und seine Aussagen hierzu in den Biographien
von M. Lutyens und P. Jayakar.
Zur Grenzziehung zwischen dem Organismus und einem Ich schreibt Ken
Wilber: "Wenn Ihnen eine Grenzlinie innerhalb des Organismus
seltsam vorkommt, dann lassen Sie mich fragen: 'Haben Sie das Gefühl,
ein Körper zu sein, oder haben Sie das Gefühl, einen Körper
zu haben?' ",und zur Persona meint er "... kann sich
der Mensch sogar weigern zuzugeben, daß einige der Facetten seiner
Psyche zu ihm gehören. In der Fachsprache der Psychologen heißt
dies, er überträgt sie, verdrängt sie, spaltet sie ab oder
projiziert sie. (...) Wenn sich aber der Mensch nur mit Facetten seiner
Psyche (mit der Persona) identifiziert, empfindet er die übrigen Anteile
tatsächlich als 'Nicht-Selbst', als fremdes Gebiet, als feindlich
und unheimlich." (Wilber, K. 1988. S. 16-18, Hervorh. im Original).
Grenzziehung
ist selbst bestimmbar
Aus diesem Grunde heraus kann es erst Therapien geben: Eine Therapie
kann auch als das Bemühen und die Fähigkeit gesehen werden, die
eigenen Grenzen zu verschieben und zu erweitern. Im Bereich der Integration
des Schattens in die Persona, oder der Bewußtwerdung von Anteilen
des Es hin zum Ich ist dies anerkannt und einsichtig. Doch die Möglichkeit
der Aufhebung der Grenzen ist herimit nicht zu Ende, wie uns Gebser oder
Krishnamurti zeigen wollen.
Das Denken (und Verharren) in Räumlichungen und Einordnungen welches
sich auch in der Wortwahl ausdrückt, erfordert ebenso "eine andere
Einstellung zur Sprache, die ihre Ganzheitlichkeit berücksichtigt"
(Gebser, J. 1986, S. 183). Hierdurch wird vielleicht auch das Vermeiden
von besetzten Begriffen wie Gott, Erleuchtung oder Transzendenz seitens
Krishnamurti's deutlich.
Alle Methoden können diese Grenzen nur erweitern, sie aber nicht
beseitigen: Krishnamurti spricht m.E. nun aber insbesondere von dieser
Urgrenze; hier muß jeder Versuch sie zu "überwinden" scheitern,
einfach weil es sie nicht gibt.
Die Gestalttheorie untermauert diese Ansicht: Es gibt nichts Wahrzunehmendes
ohne seinen kontrastierenden Hintergrund; entferne ich diesen, hört
auch das Beobachtete auf zu existieren.
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